Januar – Juli 2014

2014. 09. 24.

Vereinschronik

Januar – Juli  2014

 

„Auf die Ungarn trifft es gleich mehrfach zu: Wenn sie ohne Glauben zu einem globalistischen Gesindel werden, dann  gehen sie verloren. Ohne Gemeinschaft gibt es kein sinnvolles und sicheres Leben. Ohne Gemeinschaft  gibt es kein dauerhaftes und erhaltendes Wertesystem. Und der Mensch kann nicht ohne Ordnung, ohne Regeln leben, denn das wäre nur ein (tierisches) Triebleben niederen Niveaus.” (László Tőkéczki)

Vielleicht ist es bekannt, dass es uns schließlich gelungen ist, eine Büste von Kuno Klebelsberg in Sopron aufzustellen, nachdem die Stadt Wien unser  Vorhaben zurückgewiesen hatte. Aber wer war dieser ehemalige Minister für Religion und Unterricht namens Kuno Klebelsberg, der das Collegium Hungaricum und das Institut für Ungarische Geschichtsforschung in Wien gründete?  Diese Frage beantwortete Historiker Dr. Gábor Újváry in seinem Vortrag am 16. Januar. Darin hob er hervor, dass der wahre Klebelsberg-Kult erst nach 1990 begann. Klebelsberg  wird jedoch immer öfter von denen zitiert, die den Kern seines Schaffens nicht kennen und auch nicht verstehen, lediglich gewisse, aus dem Kontext gerissene und zur Mode gewordene Sprüche nachplappern und immer wieder missdeuten. Deshalb war es für uns wichtig, von einem fachkundigen Historiker zu hören, warum Kuno Klebelsberg  „der ungarische Kultusminister mit dem größten Traum” war. (80-100 Zuhörer)

 

Am 30. Januar hielt der Literaturhistoriker und Schriftsteller Prof. Mihály Takaró unter dem Titel Verbannte ungarische Literatur einen Vortrag, der außerordentliches Interesse fand. Die Literaturgeschichtsschreibung und der Literaturunterricht waren nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Mittel des Klassenkampfes geworden. „In den vier Jahrzehnten des Kommunismus gerieten Autoren nicht nur auf der Grundlage einer Wertevermittlung in den Literaturkanon, sondern es waren im bedeutenden Maße weltanschauliche Aspekte, die den Platz von Schriftstellern und Dichtern darin bestimmten”, führte Mihály Takaró aus. Schriftsteller mit christlich-nationaler Gesinnung und ihr Schaffen seien –  wie wertvoll sie auch  gewesen sein mögen – in  Lehrbüchern für Literatur und in literaturhistorischen Arbeiten im Namen des Klassenkampfes entweder ganz und gar gestrichen oder als völlig unbedeutend, oft regelrecht retrograd bezeichnet worden. Die konservativ-national-bürgerlichen Schriftsteller (wie etwa Ferenc Herczeg, Géza Gyóni, Cécile Tormay, Dezső Szabó und  Sándor Márai) sowie die transsilvanischen Literaten (z.B. Sándor Reményik, Sándor Makkai, József Nyírő, László Tompa, Albert Wass, Lajos Áprily, Miklós Bánffy, Jenő Dsida) wurden völlig  übergangen. (ca. 100 Besucher)

 

Am 6. Februar hielt Dr. Csaba Szabó, stellv. Direktor für Wissenschaft im Balassi-Institut – Collegium Hungaricum – nach der Vollversammlung des „Europa”-Club  zur Wahl des Vorstandes  einen Filmvortrag über den ersten Ausflug des Vereins ins Palotzenland, den er als fachkundiger Reiseführer begleitete. Der Referent stellte die berühmtesten Schätze des natur- und kulturhistorischen Erbes in den schönsten Gegenden Nordungarns vor. Dabei berichtete er über Burgruinen auf den Berggipfeln, Kirchen unter Denkmalschutz, die Atmosphäre in früheren Jahrhunderten und zahlreiche Beispiele der ungarischen Geschichts- und Volkstraditionen. Denkwürdig bleibt auch unser Besuch im Todeslager Recsk. (ca. 50 Personen

 

Am 22. Februar fand ein Theaterabend statt. Das Petöfi-Theater Sopron führte Sándor Petőfis komisches Epos A helység kalapácsa (Der Dorfhammer) auf. Der Schauspieler und Vortragskünstler Tamás Gál und der Volksmusiker László Mester zauberten eine echte  Atmosphäre  der Zeit Petőfis auf die Bühne. (ca. 80 Zuschauer)

Am 15. März  gedachten der „Europa”-Club und die Vereine des Runden Tisches der Ungarischen Organisationen in Österreich gemeinsam der Revolution und des Freiheitskampfes 1848/49. Die Feierstunde begann mit einer Kranzniederlegung an der György-Bessenyei-Büste und wurde im Collegium Hungaricum fortgesetzt. Die Festrede hielt Dr. Pál Fodor, Direktor des Geschichtswissenschaftlichen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Im Rahmenprogramm traten das Volkstanzensemble Délibáb, das RojtosEnsemble und András Pataki, Direktor des Petőfi-Theaters Sopron, mit dem János-Arany-Gedicht A walesi bárdok (Die Barden von Wales) auf. Die vielleicht wichtigste Aussage der Festansprache Pál Fodors bestand darin:  Wenn wir in möglichst großer Zahl dazu bereit sein werden, unsere eigene seelische Wende zu vollziehen, unseren Egoismus aufzugeben und uns stattdessen dem gemeinsamen Unternehmen mit der Bezeichnung Nation anzuschließen,  dann können wir uns mit anstrengender Arbeit ein lebbares, freundliches Vaterland schaffen, in dem wir am Nationalfeiertag endlich gemeinsam und nicht  getrennt nach Parteien feiern können, wo in einer Festrede keine quälenden und für viele unangenehmen Schicksalsfragen und Versäumnisse angesprochen  werden müssen, und wo wir den Namen Ungarn erneut als schön, seines alten, großen Ruhmes würdig aussprechen können. (ca. 100-120 Gäste)

Am 22. März fand im Stephansdom aus Anlass des 50jährigen Bestehens des „Europa”-Club  eine ungarische Messe statt, zelebriert von Dr. Ferenc Cserháti, Hilfsbischof für die Seelsorge der im Ausland lebenden Ungarn. An der heiligen Messe wirkte der slowakische gemischte Chor Híd (Brücke)  aus Sommerein/Šamorin/Somorja, unter Leitung von Anna Hecht mit. Nach der Messe gab die Botschaft Ungarns in Wien einen Empfang für die Mitglieder und Freunde des Vereins, wobei Ferenc Cserháti für seine bisherige Tätigkeit mit dem von Lajos Gubcsi gestifteten Ex-Libris-Preis ausgezeichnet wurde. Der Fernsehkanal Duna TV berichtete erlebnishaft über dieses Ereignis. (300-400 Festgäste)

Am 11. April  setzten wir die Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum mit einem Galaprogramm fort. Die Festrede hielt diesmal der Generaldirektor des Ungarischen Nationalmuseums Dr. László Csorba. Ein Programm der Mitglieder des Petőfi-Theaters Sopron, Péter Huzella (Kossuth-Preisträger), András Pataki, Gergely Savanyú und Attila Papp mit Musik und Gedichten unter  dem Titel Es lebt der Ungar und der Auftritt des  Wiener Franz-Liszt-Chors  machten die Veranstaltung  denkwürdig. László Csorba, fachlicher  Leiter mehrerer unserer Studienreisen, hob in seiner Rede hervor,  dass der 50 Jahre alte „Europa”-Club zu  einem untrennbaren Bestandteil der ungarischen Geschichte geworden sei. Aus diesem Anlass zeigte das Duna TV in seiner Sendung Határtalanul  (Ohne Grenzen) einen 26 Minuten langen Dokumentarfilm  50 Jahre „Europa”-Club. (ca. 120 Personen)

Am 24. Mai wardie Volkstanzgruppe Bekecs aus Siebenbürgen bei uns zum Gast. Seit Jahren laden wir ungarisch-sprachige Theatergruppen – hauptsächlich aus der Slowakei und Siebenbürgen – regelmäßig zu uns ein. Diese Aufführungen fanden im Studio Molière des französischen Kulturinstitutes in Wien statt (pro Abend ca. 250 Besucher). Leider werden hier zurzeit immer noch Renovierungsarbeiten durchgeführt, somit mussten wir auf Podium Aufführungen und Ersatz Ersatzräumlichkeiten ausweichen (VHS Praterstern). So luden wir die Bekecs Volkstanzgruppe aus Siebenbürgen ein, die war das einzige Team,  welches das Talentwettbewerb  (Beste Künstler im Ausland)2014 in Budapest gewinnen konnte. Die Volkstanzgruppe Bekecs legt zwar großen Wert auf die Darstellung der lokalen Tänze und Volksbräuche aus Siebenbürgen, doch seit 2007 werden traditionelle und moderne Stile zeitgenössisch vermischt. Die Bekecs Dance Association hat im Jahr 2012 mit einem ausgelagerten Tanz Education Program gestartet, als Folge gibt es bereits 21 Tanzgruppen und mehr als 700 verschiedenen minderjährige Kinder und Jugendliche die Volkstänze und Volkslieder lernen. (ca. 60 Personen)

Zwischen dem 28. und 31. Mai  ging unsere Reise wieder ins   Palotzenland. Unser Ausflug im Vorjahr nach Nordungarn (Mátra und Bükk), der besonders reich an Erlebnissen war, gab uns die Motivation, uns noch einmal auf den Weg zu machen, um die Gegend westlich und nördlich des Mátra-Gebirges zu erkunden, die kleinen Dörfer  der Berglandschaft von Börzsöny, Cserhát und Karancs-Medves sowie im Tal des Flusses  Ipoly, die Gedenkstätten der Literaturgrößen Mikszáth und Madách, die ehemaligen Burgen zum Schutz des Landes und die erhalten gebliebenen Spuren der Volksarchitektur  aufzusuchen, die noch lebenden Traditionen und geologischen Raritäten – aufgrund des zu Recht  berühmten „Palotzenzaubers” – kennenzulernen.

Am 14. Juni gedachten wir in Laab im Walde mit einer Trauermesse und Kranzniederlegung des vor drei Jahren verstorbenen päpstlichen Prälaten Géza  Valentiny, des Oberseelsorgers a.d. in Österreich. Der griechisch-katholische Bischof Szilárd Keresztes (Budapest) und Dechant Ferenc Simon, Oberseelsorger, hielten die Trauermesse  unter Mitwirkung des Franz-Liszt-Chors in der Kapelle des örtlichen Klosters der Barmherzigen Schwestern.  Nach der Trauermesse legten wir einen Kranz  am Grab Géza Valentinys nieder, der  von  1987 bis 2008 auch Vorsitzender des „Europa”-Club gewesen war. Valentiny starb am 1. Juni 2011; er war eine herausragende und sehr populäre Persönlichkeit der in der Emigration lebenden Ungarn. Er hat viel für die ungarische Nation, die im Ausland lebenden Ungarn und die ungarische Kirche  getan. Er war nicht nur der Vorsitzende, sondern auch ein Mäzen des Vereins. Mit dieser Trauermesse schloss der „Europa”-Club die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag seines Bestehens ab.

Inzwischen ist das neue Jahrbuch des Vereins unter dem Titel BEÉRKEZTÜNK (Angekommen) erschienen, das die Texte der 2013 gehaltenen Vorträge beinhaltet. Wenn wir die Fakten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vereins in Betracht ziehen, kann man sagen, dass der „Europa”-Club nach 50 Jahren dort angekommen ist, wo es seine Mission erforderte.

Selbstverständlich erwarten wir die Interessenten auch zu unseren Veranstaltungen im Herbst.

 

1. Juli 2014                                                                                                                     András Smuk