Tätigkeitsbericht 1/2007
Einheit in der Vielfalt
In unseren Rundschreiben haben wir schon mehrmals formuliert – es schadet vielleicht doch nicht zu wiederholen -, dass unsere Gemeinschaft „Europa“-Club eine kleine Insel der in Österreich lebenden Ungarn ist, mit dem Ziel, die Sprache und Kultur ihrer Ahnen den hier lebenden Ungarn zu vermitteln. Wir sind bemüht, Werte zu bieten, die das Elternhaus im Allgemeinen nicht mehr bieten kann. Die Persönlichkeit eines Menschen wird durch viele Faktoren beeinflusst: durch das familiäre Umfeld, die Gesellschaft, die Kirchen, die Freunde, und vielleicht nicht zuletzt durch unsere Vereine und Institutionen. All jene, die unseren Einladungen folgen, merken sehr schnell, dass unser langfristiges Ziel darin besteht, das Bewusstsein der nationalen Zusammengehörigkeit zu vertiefen. Die „nationale Gesinnung“ ist für uns kein Irredentismus und kein Faschismus, sie bedeutet einfach nur, dass wir uns nicht nur um uns selbst, sondern auch um das Schicksal einer ganzen Nation kümmern.Inwieweit es uns gelingt, den oben geschilderten Zielen gerecht zu werden, das sollten eher unsere Mitglieder aufgrund des Tätigkeitsberichtes beurteilen.
1. Die Saison 2007 begann mit dem Vortrag Die Seele der ungarischen Sprache von Gábor CZAKÒ (Budapest), Schriftsteller, Redakteur, Publizist, Organisator der ungarischen Katholischen Journalistenausbildung und ehemaliges Mitglied des Beratungsgremiums von József Antall. Czakó hob in seinem Vortrag hervor, dass im Wissen über den Ziffern 1 eine althergebrachte Symbolik in unserer Sprache erhalten geblieben ist. Nachdem wir dies von keiner einzigen Kultur übernommen haben dürften, ist sie offensichtlich älter als jede andere Sprache, und führt uns über dem Christentum und die Vielgötterei in historische Zeiten zurück. An diesem Abend wirkte der Sänger Zoltán KÀTAI mit historischen Liedern mit.
2. Am 10. Februar führte das Ensemble GRUPPEN-HECC aus Marosvásárhely sein Silvester-Kabarettprogramm unter dem Titel Elszúrtuk (Verpatzt) auf. Viele Zuschauer können bestätigen, dass die lustige Gesellschaft Gruppen-hecc nichts verpatzt, vielmehr für uns alle prächtige Unterhaltung geboten hat.
3. Unsere ordentliche Jahresvollversammlung fand am 22. Februar statt, an dem die Mitglieder das neu modifizierte Statut des Vereins angenommen hat. Inzwischen ist dies auch von der zuständigen Behörde, der Vereinspolizei bestätigt worden. Das Statut des „Europa-Club“ ist – in deutscher Sprache – auch auf unserer ständig aktualisierten Hompage (www.europaclub.at) nachzulesen. Nach der Vollversammlung wurde der von Endre KAUTNY gefertigte Videofilm Ungarische Andenken in der Türkei gezeigt, der das reichliche Programm unserer elftägigen Rundreise in der Türkei getreu dokumentiert. Wir haben der Reihe nach viele Gedenkstätten von in die Emigration gezwungenen Ungarn aufgesucht (in Istanbul, Rodosto, Kütahya usw.).
4. Am 22. Februar haben wir gemeinsam mit der Wiener Ungarischen Reformierten Gemeinde und der Peter-Bornemisza-Gesellschaft eine Buchpräsentation (50 Jahre, 1956-2006) von Pál SZÖLLÖSY, dem Ehrenvorsitzenden der Europäischen Protestantischen Ungarischen Freien Universität (ung. Abk. EPMSZE), veranstaltet. Der von der EPMSZE herausgegebene Band behandelt und stellt die ungarische Revolution und den Freiheitskampf 1956 nicht als ein fern liegendes, endgültig abgeschlossenes Ereignis dar. Die Ideen der Revolution prägten auch den Prager Frühling und die polnische Bewegung Solidarnosc.
5. Am 12. März sorgten das Ensemble MUZSIKÀS und der Sänger und Märchen-erzähler András BERECZ im Festsaal des Wiener Alten Rathauses für heiße Stimmung. Unter den Zuhörern gab es recht viele, die unserer Sprache nicht mächtig waren, András Berecz dennoch mit großer Begeisterung zuhörten, der seine Lieder und Märchen in einer faszinierenden Art und Weise vortrug. Die großartige, gemeinsam mit dem Collegium Hungaricum realisierte Veranstaltung bleibt uns allen sicherlich noch lange in Erinnerung. Wir hoffen, dass unserer Einladung auch beim nächsten Mal so viele Gäste folgen werden.
6. Am 24. März war das Miklós Tompa-Ensemble des NATIOALTHEATERS MAROSVÁSÁRHELY unser Gast: Diesmal brachten es uns die stürmische Komödie Bekanntschaft per Internet nach Wien. Wer könnte sich nicht an die bravourösen Wendungen im Stück Bigamie (Ungleiches Paar) erinnern? – wie John Smith von einer Wohnung bis zur anderen, von einer Frau zur anderen herumrannte? Jetzt stelle man sich die gleiche Situation 16 Jahre später vor, als John bereits zwei halbwüchsige Kinder hat, das eine von Mary, das andere von Barbara – und die Kinder treffen mit Hilfe des Internets aufeinander.
7. Am 12. April berichteten László CSELÈNYI, Vorsitzender des Duna TV sowie Moderatorin Edit VARGA den Wienern über die Arbeit ihrer Anstalt zur Wahrung der Identität. Cselényi räumte ein, dass das Duna TV zugleich ein niveauvoller und interessanter öffentlich-rechtlicher Kanal mit hoher Einschaltquote sein soll, denn es wäre eine Straußpolitik, vom Kampf der Medien um die Zuschauer keine Kenntnis zu nehmen. Sowohl mit den neuen als auch den alten Programmen, die erneuert werden können, muss man sich bemühen, den Zuschauern Interessantes, Aktuelles und geistig Spannendes zu bieten.
8. Am 24. April fand für die in der österreichischen Hauptstadt studierenden Jugendlichen eine Stadtbesichtigung zu Fuß unter fachmännischer Führung (Das ungarische Wien – Andenken der Kaiserstadt) statt, anschließend kam es zu anregenden Gesprächen zwischen den Generationen bei Wein im Esterházy-Keller. Die Zusammenarbeit mit und die Beziehungen zum Verein Ungarischer Studierender werden für den „Europa“-Club in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen.
9. Am 26. April hielt Dr. János TARDY, Titular-Professor, ehemaliger stellvertretender Staatssekretär für Naturschutz und Vizepräsident der Europäischen Zentrale für Naturschutz aus Budapest, einen mit Farbbildern reichlich illustrierten Vortrag über die Natur-, Landschafts- und Kulturwerte sowie die Nationalparks Ungarns, die zum Weltkulturerbe erklärt worden sind.
10. Am 11. Mai haben wir mit dem Titel Süsse Trauben, feuriger Wein eine literarische Weinverkostung mit dem Schriftsteller Lajos AMBRUS und herrlichen Weinen vom südlichen Plattensee gemacht. Schriften des Attila-József-Preisträgers ließen sich organisch mit den Weinen aus Zalaszentgrót verbinden. In diesem kleinen Nest im Komitat Zala wird aus verschiedenen Traubensorten ein an edlen Säuren reicher, feuriger, eleganter – man könnte sagen – „Aristokratenwein“ hergestellt, der bei entsprechenden Bedingungen zu einer hervorragenden Spätlese heranreift.
11. Zwischen dem 11. Mai und dem 3. Juni fand ein kulturhistorischer Ausflug nach Nordpolen (Mazuren – Danzig) statt. „Begleiter“ unserer Reise waren nicht nur die Geschichte der Kreuzritter, sondern auch zahlreiche Andenken und Gedenkstätten aus der ungarischen Vergangenheit (z.B. István Báthory, András Báthory, Bálint Balassi, Franz Rákóczy II., Csombor Márton Szepsi usw.). Unsere Reisegruppe war durch die Kunstdenkmäler der überaus reichen Hansa-Städte wie Danzig und Thorn ebenfalls fasziniert. Die Umgebung und die Landschaft der masurischen Seen sind atemberaubend schön. Wie gewohnt, werden wir auch über diese Reise einen gesonderten, ausführlichen Bericht für das Jahrbuch verfassen.
12. Noch vor der Sommerpause, am 14. Juni organisierten wir wieder eine Buchpräsentation, wobei Csaba PUSZTAY das 1944-1945 verfasste Tagebuch seiner Mutter, Mária Bódis vorstellte. Dieses Tagebuch ist in der Tat nicht nur eine persönliche Erinnerung, sondern auch eine Art Zeitgeschichte, denn es widerspiegelt auch das Andenken einer berühmten Schlacht im Zweiten Weltkrieg (bei Battina). Im kulturellen Rahmenprogramm wirkten auch in Wien lebende Ungarn aus Kupuszina mit.
Bei der Zusammenstellung unserer Programme ist in betracht zu ziehen, dass unsere Gesellschaft in jeder Hinsicht heterogen ist, so dass wir den kulturellen Interessen und Ansprüchen von Menschen mit unterschiedlicher Abstammung, Religion und Bildung gerecht werden müssen. Wir können ohne Übertreibung feststellen, dass es uns bisher noch immer gelungen ist, die Erwartungen zu befriedigen.
Wien, 1. August 2007 Andreas Smuk
Sekretär