Tätigkeitsbericht Herbst 2008
VEREINSCHRONIK,
ODER ETÜDE ZUM FORTBESTAND
Wien, 25. Januar 2009
Ady zitierend: wenn wir die „Kirche” (die Heimstätte der ungarischen Identität und Zusammengehörigkeit, der sprachlichen und kulturellen nationalen Einheit) nicht errichten, zerstreue auch der Kriegsherr sein Volke, das im Schmelztiegel der Welt zerschmolzen wird. Den Grundstein unserer kleinen „Kirche“, des „Europa“-Clubs, haben wir im April 1964 gelegt. Wie dieses Bauwerk zu Beginn auch immer gewesen ist, hatte es dennoch gleich perspektivische Ziele. Und wenn nichts anderes, eines ganz sicher, nämlich: auch im fremden Umfeld fortzubestehen. Nach 45 Jahren erfüllt uns das Bewusstsein mit Stolz, dass wir nicht nur für unseren Fortbestand sorgen konnten, sondern auch zu einem bedeutenden Farbfleck auf der Palette neuer Art im westlichen Ungartum geworden sind.
Eine fundierte Dokumentation dafür ist unsere Tätigkeit im Herbst 2008.
1. Am 11. September begannen wir die Herbstsaison mit der Aufführung des Dokumentarfilmes von László Juhász mit dem Titel A bűnbak – gróf Esterházy János vértanúsága (Der Sündenbock – das Märtyrertum von János Graf Esterházy). Ehrengast unserer Veranstaltung war Alice Malfatti Gräfin Esterházy aus Rom, die Tochter des unschuldig in den Schmutz gezerrten und bloßgestellten ungarischen Politikers aus Oberungarn. János Esterházy wurde am 16. September 1947 auf einer einzigen Sitzung des slowakischen Nationalkomitees zum Tode verurteilt. Er wurde vom Präsidenten begnadigt und bekam lebenslänglich. Am 8. März 1957 verstarb er in einem Gefängnis in Mähren. Wegen seiner erneut ausgebrochenen schweren Krankheit konnte László Juhász an diesem Programm nicht mehr teilnehmen. Der Historiker und Journalist, eine herausragende Persönlichkeit der 56-er Emigration, ist am 22. November im Alter von 75 Jahren von uns gegangen. Er war es, der mit seiner Kamera zahlreiche kulturhistorische Reisen von uns festgehalten hat. Stolz zitieren wir seinen Eintrag in unserem Gästebuch, in dem er den „Europa”-Club seine geistige Heimat genannt hat.
2. Zwischen dem 18. und 21. September haben wir eine Studienreise im Zipser Land unternommen. Zsére, Farkasvölgy, Késmárk, Lőcse, Szepesvár, Bártfa, Ólubló, Hibbe und auf dem Heimweg Selmecbánya waren die wichtigsten Stationen dieser Reise. In den vier Tagen haben wir mehrere Hundert Kilometer zurückgelegt. Von Burg zu Burg, vom Hauptplatz zu Hauptplatz, von gotischem Altar bis zum lokalgeschichtlichen Museum einer Kleinstadt waren wir unterwegs. Bei Schnabelflötenspiel ist unser Kranz an der Grabstelle des Kurutzenführers Imre Thököly in Késmárk niedergelegt worden, in Hibbe wiederum das Grabmal des Dichters Bálint Balassi mit Feldblumen geschmückt.
3. Am 9. Oktober fand im Barocksaal des Alten Rathauses ein Konzert des Ensembles Kecskés mit Musik aus alten Zeiten unter dem Titel Musikalische Erinnerung an König Matthias statt. Die Lieder und Tänze, die das Lebensgefühl der Renaissance zum Ausdruck brachten, sowie die exotischen Musikinstrumente faszinierten das Publikum.
4. Unser Jubiläumsjahrbuch (Band 15.) mit dem Titel Változó világunk (Unsere Welt im Wandel) wurde am 17. Oktober im Budapester Mitteleuropäischen Kulturinstitut von Zoltán Székely Szabó und András Smuk präsentiert, eingeleitet vom Historiker Dr. Gábor Újváry. Bei dieser Veranstaltung wirkten der Historiker Dr. László Csorba, der fachliche Leiter bei unseren Studienreisen nach Venedig und Rom, und der Schnabelflötenkünstler Csaba Nagy mit.
5. Am 25. Oktober haben wir gemeinsam mit dem Verein Ungarischer Studierender (MDE-VUS) – nach Pressburg/Bratislava und dem Burgenland – einen ganztägigen Ausflug nach Mariazell unternommen. Auf dem Programm stand die Besichtigung der Basilika und der Schatzkammer. Ein junger Kunsthistoriker aus Steinamanger/Szombathely hat uns – mit hohem Fachwissen – das mit Ungarn zusammenhängende, umfangreiche Material dieser Schatzkammer gezeigt. Anschließend suchten wir das Europeum auf, wo jedes einzelne Land des Kontinents anhand eines von je einem jungen Künstler entworfenen Ausstellungsmaterials präsentiert wurde. Ungarns Vertreter war zum Beispiel Viktor Szabados, Vorsitzender des Studentenvereins.
6. Am 8. November kam es zu der bereits traditionellen Gedenkfeier in Deutsch Altenburg. Der Universitätsprofessor aus Mosonmagyaróvár, Dr. Lajos Bierbaum hat zu diesem Ort folgendes festgehalten: „Bad Deutsch Altenburg (Németóvár) ist eine österreichische Kleinstadt, wo die Ungarn geachtet werden und wo man stolz darauf ist, dass die Marienkirche vom König Stephan d.hl. gestiftet worden ist. Die Erinnerung an die Toten fand an diesem Tag im Rahmen einer ökumenischen Seelenmesse statt, welcher neben Vertretern der Ungarn aus dem Oberland? (Slowakei??) und Österreich auch Gäste aus Ungarn beiwohnten. Abt Dr. György Herdics aus Pressburg, Mónika Karvanszky und Mihály Soós, Seelsorger der reformierten Kirche aus Wien sowie der evangelische Inspektor Miklós Kiss aus Mosonmagyaróvár sprachen zu den Teilnehmern des Gottesdienstes, die anschließend die von den in Österreich lebenden Ungarn geschaffene symbolische Grabstätte im Friedhof aufsuchten. Den hier gefallenen Ahnen gedachten Dr. Pál. Csáky, Vorsitzender der Ungarischen Koalitionspartei aus der Slowakei sowie Miklós Szabó, Bürgermeister von Mosonmagyaróvár. Dabei wurde das Grabmal mit Kerzen, Blumen und Kränzen geschmückt.
7. Am 15. November wurde im französischen Kulturinstitut, dem Studio Moliére das Kabarettprogramm Arrivederci roma des Ensembles Gruppen-Hecc aus Neumarkt/Marosvásárhely aufgeführt. Das zahlreiche Publikum hat sich auch diesmal köstlich amüsiert.
8. Am 21. November präsentierte sich – auf unseren Wunsch hin – das Komitat Vas in den Räumlichkeiten des Ungarischen Kulturinstituts Collegium Hungaricum in Wien. Die Veranstaltung setzte sich aus mehreren Programmpunkten zusammen. Zunächst zeigte der Fotokünstler József Németh – anhand von Luftaufnahmen – die kulturhistorischen und Naturschätze des Komitats. Ferner konnte die Ausstellung des jungen Malers Szabolcs Mészáros besichtigt werden. Nach kulinarischen Genüssen mit Qualitätsweinen und Strudeln aus dem Komitat verzauberte das Volksmusikensemble Boglya die bereits gutgelaunten Besucher.
9. Am 28. November erwartete ein Familienprogramm die Interessenten: überraschend viele Kleinkinder durchlachten die musikalischen interaktiven Märchenspiele von Heléna Patka (Der Froschkönig) und Gábor Dvorák (Spielen wir Pantomime!).
10. Am 20. Dezember nahmen wir mit der Weihnachtsfeier vom Pazmaneum Abschied, das 21 Jahre lang unsere Heimstätte war. Nach den Gedanken vom Herrn Prälat Géza Valentiny gab der Mandolinenkünstler Imre Géza Macskássy in sinnlicher Atmosphäre Weihnachtsmelodien zum Besten. Unter dem Weihnachtsbaum fanden sich auch diesmal Geschenkbücher für unsere Mitglieder.
Der „Europa”-Club fand seine Heimstätte im Herbst 1987 im Pazmaneum. In den 20 Jahren haben wir ca. 400 Veranstaltungen organisiert – wenn auch nicht alle im Festsaal des einstigen Priesterseminars, aber die Mehrheit schon. Wir sind zwar kein ausgesprochener Kirchenverein, trotzdem hatten wir annähernd zehn Bischöfe und Äbte zu Gast. Nach der Wende en waren zahlreiche Minister, Staatssekretäre, Botschafter und weitere Politiker aus Ungarn auf unserer Gästeliste zu verzeichnen. Vorträge hielten bei uns die Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und weitere Vertreter des ungarischen wissenschaftlichen und geistigen Lebens. Die besten Repräsentanten der ungarischen Literatur und des Theaterlebens traten bei uns auf, genauso wie die der ungarischen Musik und Folklore. Es wäre schwierig, nur die Namen aufzuzählen. Oft fanden sich unter den Referenten Vertreter des Ungartums im Westen und im Karpatenbecken.
All diese Gäste von Rang haben das Ansehen und den Ruf nicht nur vom „Europa”-Club, sondern auch vom Pazmaneum weitgehend erhöht .
András Smuk